Die Lieferantenauswahl ist ein Teilbereich der Beschaffungslogistik. Damit einem Unternehmen notwendige Materialien zu den bestmöglichen Konditionen zur Verfügung stehen, muss der ideale Anbieter gefunden werden. Hierzu sind die Aufgaben der “Lieferantenermittlung”, der “Lieferantenbewertung” und der “Kontaktaufnahme mit dem Lieferanten” durchzuführen. Dadurch erhält ein beschaffendes Unternehmen Informationen über potenzielle Lieferanten, bewertet diese anhand der notwendigen Leistungen und knüpft Kontakte zu den bestmöglichen Anbietern.
In dieser Lektion erfährst du, wo im Beschaffungsprozess die Lieferantenauswahl eingeordnet ist, welche Ziele sie verfolgt und welche Aufgaben ein Unternehmen hierbei durchzuführen hat. Du bekommst die Begriffe “Lieferantenermittlung”, “Lieferantenbewertung” und “Kontaktaufnahme mit den Lieferanten” nähergebracht. Am Ende der Lektion kannst du dein gewonnenes Wissen anhand von Übungsaufgaben überprüfen.
- Synonym: Lieferantenmanagement
- Englisch: supplier selection
Warum ist die Lieferantenauswahl wichtig?
Ein Unternehmen, welches Produkte herstellt oder Dienstleistungen erbringt, muss in den meisten Fällen mit Materialien versorgt werden. Da Unternehmen gewinnorientiert arbeiten, sollten die benötigten Materialien immer zu den bestmöglichen Konditionen zur Verfügung stehen. Hierdurch optimiert ein Unternehmen seine Kosten, seine Qualität und seine Produktion.
Damit jedoch die bestmöglichen Konditionen erreicht werden, ist es wichtig, die potenziellen Lieferanten zu ermitteln und auszuwerten. Über die Beschaffung vom idealen Anbieter kann letztendlich die Gewinnoptimierung erreicht werden.
Einordnung der Lieferantenauswahl im Beschaffungsprozess
Die Lieferantenauswahl wird im gesamten Beschaffungsprozess an einem sehr frühen Zeitpunkt notwendig. Zunächst muss ein Unternehmen wissen, welche Materialien es für seinen Geschäftsbetrieb, also für die Produktion oder die Erbringung von Dienstleistungen, benötigt. Im direkten Anschluss erfolgt die Lieferantenauswahl. In dieser werden alle Beschaffungsmärkte für die jeweiligen Materialien erforscht und Lieferanten ermittelt.
Nachdem die Anbieter bewertet wurden, erfolgt die Kontaktaufnahme zu diesen. Erste Angebote werden eingeholt und es erfolgen die Vertragsverhandlungen und der Bestellprozess im Anschluss an die Lieferantenauswahl.
Der Ablauf des Beschaffungsprozesses:
- Bedarfsermittlung
- Lieferantenauswahl
- Verhandlung
- Bestellung
- Kontrolle des Prozesses
- Wareneingangsprüfung/Rechnungseingangsprüfung
- Einlagerung oder direkte Übergabe an Produktionslogistik
Die Aufgaben der Lieferantenauswahl
Damit ein Unternehmen den optimalen Anbieter findet und seine Beschaffung nicht wahllos betreibt, muss es einige Aufgaben durchführen. Hierbei ist es zunächst wichtig, eine Beschaffungsmarktforschung zu betreiben und somit potenzielle Lieferanten zu ermitteln.
Im Anschluss müssen die ermittelten Lieferanten anhand von Kriterien bewertet werden. Diese Kriterien werden vom beschaffenden Unternehmen individuell nach den eigenen Bedürfnissen festgelegt. Somit wird jedes Unternehmen zu einem anderen Ergebnis kommen.
Zum Abschluss erfolgt die Kontaktaufnahme zu den bestbewerteten Lieferanten, während der die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit ausgelotet werden. Die Verhandlungen mit den Lieferanten erfolgen im Anschluss an den Prozess der Lieferantenauswahl.
Lieferantenermittlung
Im Bereich der Lieferantenauswahl erfolgt zunächst die Lieferantenermittlung. Hierzu führt ein Unternehmen für jedes der zu beschaffenden Materialien eine Beschaffungsmarktforschung durch. In deren Rahmen fällt unter anderem die Ermittlung von potenziellen Lieferanten.
Ein Unternehmen kann dabei vorab bereits festlegen, dass es sich auf eine bestimmte Reichweite beschränken will. Eine globale Lieferantenermittlung kann ansonsten durch viele Anbieter sehr zeitintensiv werden.
Steht hingegen vorab fest, dass eine gewisse Entfernung zum Lieferanten schädlich für die eigene Produktion ist, sollten nur Lieferanten in der festgelegten Reichweite ermittelt werden.
Die Lieferantenermittlung kann durch zahlreiche unterschiedliche interne oder externe Informationsquellen erfolgen.
- Interne Informationsquellen liegen bereits im Unternehmen vor und haben den Vorteil, schnell zur Verfügung zu stehen.
- Externe Informationsquellen müssen zunächst zeitintensiv beschafft werden.
Jedoch haben die externen Quellen den Vorteil, dass mehr potenzielle Anbieter zur Verfügung stehen und ein Unternehmen immer auf aktuelle und innovative Möglichkeiten zurückgreifen kann.
Interne Informationsquellen:
- Artikelkarteien (Sortiment mit hinterlegten Lieferanten)
- Lieferantenkarteien (Bestehender Lieferantenstamm)
- vorhandene Angebote
- vorhandene Kataloge
Externe Informationsquellen:
- Fachzeitschriften
- Prospekte und Werbebroschüren
- Internet mit Suchmaschinen
- Gelbe Seiten
- Messen und Ausstellungen
- Geschäftsreisen
- Tipps aus Geschäftsbeziehungen
- Industrie- und Handelskammern
- Außenhandelskammern der jeweiligen Staaten
Hierzu wird zunächst festgelegt, dass durch die Frische der Produkte und die Werbung mit heimischen Zutaten ein Radius von maximal 400 Kilometern in Frage kommt. Außerdem müssen die Lieferanten die Produkte selbst anbauen und nicht zukaufen.
Da kaum interne Informationsquellen zur Verfügung stehen, nutzt die Zwickel AG externe Quellen. Über die IHK, Gelbe Seiten, Geschäftsreisen und das Internet führt das Unternehmen eine Lieferantenermittlung durch, an deren Ende eine Liste mit 37 potenziellen Obstbauern steht.
Lieferantenbewertung
Im Anschluss an die Lieferantenermittlung werden die gewonnen Listen der Lieferanten ausgewertet. Hierzu setzt das beschaffende Unternehmen Kriterien auf, anhand denen die Anbieter verglichen werden können.
Die Beurteilungskriterien können dabei messbar sein, wie beispielsweise der Preis, oder es kann sich um weiche Faktoren handeln, wie es bei der Flexibilität der Fall ist. Außerdem werden die Kriterien im Normalfall vorab gewichtet, sodass ein Unternehmen die für sich wichtigen Faktoren stärker hervorheben kann.
Um messbare Ergebnisse zu erhalten, stehen diverse Methoden zur Verfügung. Häufig zur Anwendung kommen die Nutzwertanalyse oder das Punkteverfahren. Am Ende dieser Methoden können die Lieferanten in Ranglisten nach Punkten oder Erfüllungsgraden aufgelistet werden, wodurch der Kontakt mit den potenziell besten Anbietern aufgenommen werden kann. Außerdem gibt es das SCOPE-Konzept, welches Informationen über Lieferanten kategorisiert.
Mögliche Beurteilungskriterien:
- Preis
- Qualität
- Entfernung
- Zuverlässigkeit
- Kulanzregelungen
- Kommunikation
- Bestellprozesse
- Zahlungsziele
- Innovation
Methoden der Lieferantenbewertung:
- Scoring-Modell
- Profilanalyse
- SCOPE-Konzept
- Preisstrukturanalyse
- Checklistenverfahren
- Optimierungsverfahren
Die Kategorien leiten sich von dem Wort SCOPE ab, wobei jeder Buchstabe für eine Kategorie steht.
- Strategic Fit
- Customers Portfolio
- Operational Excellence
- Product & Process Development
- Economic Viability
Diese Kategorien werden im Anschluss gewichtet und mit den Informationen über die Lieferanten gefüllt. Während der Analyse kann ein Unternehmen feststellen, auf welche Kategorien es sich konzentrieren muss und welche Lieferanten in den einzelnen Bereichen ihre Stärken haben, wodurch ideale Anbieter gefunden werden können.
Dazu wurden die drei Kriterien festgelegt:
- Preis
- Entfernung
- Qualität
Ablauf:
- Zunächst erfolgt die Gewichtung durch Vergabe von Multiplikatoren. Der Preis erhält den Multiplikator 5, die Entfernung 7 und die Qualität 9 von jeweils 10 möglichen Punkten.
- Dann wird von allen Lieferanten der Preis für ein Kilo von jedem Obst eingeholt und anhand von bis zu zehn möglichen Punkten bewertet.
- Im Anschluss wird die Entfernung pro Kilometer gemessen und ebenfalls bepunktet. Zum Abschluss erfolgt die Prüfung der Qualität durch Probesendungen. Auch hier werden Punkte vergeben.
- Abschließend erfolgt die Verrechnung mit den Multiplikatoren, sodass die Punkte addiert werden können.
Ergebnis der Lieferantenbewertung:
Lieferant | Punkte für Preis (Multiplikator 5) | Punkte für Entfernung (Multiplikator 7) | Punkte für Qualität (Multiplikator 10) | Summe |
---|---|---|---|---|
"Frucht & Obst Schröder" | 5 | 8 | 20 | 33 |
"Obstfreunde Elbe" | 7 | 2 | 15 | 24 |
Anbieter C | 3 | 4 | 9 | 16 |
Der Lieferant “Frucht & Obst Schröder” erreicht den höchsten Punktwert im Scoring-System und wird durch die Zwickel AG kontaktiert.
Kontaktaufnahme mit dem Lieferanten
Nachdem die Lieferanten ermittelt und in einer Rangliste nach Beurteilungskriterien aufgelistet wurden, erfolgt die Kontaktaufnahme.
Wenn nicht gerade Probesendungen oder erste Angebote zur Lieferantenbewertung eingeholt wurden, ist den potenziellen Anbietern bisher noch nichts von einem Interesse bekannt. Aus diesem Grund erfolgt die erste Kontaktaufnahme, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten.
Hierzu erfolgt eine schriftliche, telefonische oder persönliche Anfrage zu einer Aufnahme von Geschäftsbedingungen. Kommt eine positive Antwort vom am besten bewerteten Anbieter, ist die Lieferantenauswahl abgeschlossen und geht in den Prozess der Vertragsverhandlungen über.
Ist der Lieferant nicht interessiert, weil er beispielsweise keine Kapazitäten besitzt, muss das nächstbeste Unternehmen kontaktiert werden, bis ein Partner für eine Zusammenarbeit gefunden wurde.
An erster Stelle stand “Frucht & Obst Schröder”, den der Einkaufsleiter besucht, um den Start für Geschäftsbeziehungen auszuloten. Leider ist Frucht & Obst Schröder an eine Zusammenarbeit nicht interessiert, da die gesamte Ernte bereits festvertraglich vergeben ist und sich hieran auch in den kommenden Jahren nichts ändern wird.
Der zweitbeste Anbieter, die “Obstfreunde Elbe”, ist an einer Zusammenarbeit interessiert. Die beiden Parteien vereinbaren einen Folgetermin, sodass die Vertragsverhandlungen starten können.
Trennung vom Lieferanten
Möchte ein Unternehmen die Zusammenarbeit mit einem Lieferanten beenden, kommt es zur Auslistung.
Die Gründe können eine verschlechterte Qualität, ein erhöhter Preis, eine fehlende Innovationsstufe oder eine Veränderung im eigenen Prozess sein, wodurch das Produkt nicht mehr benötigt wird.
In einem solchen Fall beginnt das Lieferanten-“Phase Out”. Hierbei ist in erster Linie auf die Vertragslage zu achten. Es stellt sich die Frage, ob langfristige Verträge vorhanden sind, wie teuer eine Trennung wird und ob diese wirtschaftlich stattfinden kann.
Außerdem muss der Verlust der bisherigen Vorteile beurteilt werden, wozu eingespielte Bestellprozesse oder eine partnerschaftliche Zusammenarbeit gehören. Letztendlich ist die Entscheidung für oder gegen eine Trennung ein Abwägen von Vor- und Nachteilen von finanziellen und weichen Faktoren.
Übungsfragen
#1. Welche Aufgabe beinhaltet die Lieferantenauswahl NICHT?
#2. Beurteilungskriterien bei der Lieferantenbewertung sollten gewichtet werden, damit ein Unternehmen individuelle Ergebnisse erhält und schneller den passenden Anbieter findet.
#3. Eine Methode bei der Lieferantenbewertung ist die…
#4. Welche externen Informationsquellen bei der Lieferantenermittlung existieren?
Ergebnisse
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