Die Materialbedarfsplanung gibt an, welcher Bedarf an Produkten in einer bestimmten Periode vorhanden ist, damit eine Anzahl von Endprodukten hergestellt werden kann. Es werden sowohl Roh- oder Hilfsstoffe als auch Baugruppen und Einzelteile einberechnet. Für die Errechnung vom benötigten Material gibt es zwei Methoden:
- die verbrauchsgesteuerte Methode
- die plangesteuerte Methode
Damit die Methode bestimmt werden kann, muss das jeweilige Produkt vorab durch die ABC-Analyse kategorisiert werden.
In dieser Lektion erklären wir dir, was sich hinter einer Materialbedarfsplanung verbirgt. Du erfährst, wie Bedarfe klassifiziert werden, welche Rechenmethoden für eine Bedarfsplanung bestehen und für welche Produkte sie angewendet werden. In abschließenden Übungsaufgaben kannst du dein Wissen testen.
- Synonyme: Bedarfsermittlung | Bedarfsmengenplanung | Beschaffungsdisposition
- Englisch: material requirements planning
Warum ist eine Materialbedarfsplanung wichtig
Die Materialbedarfsplanung ermöglicht einem Unternehmen, die passende Menge an Produkten vorrätig zu haben, ohne dass die Gefahr eines Produktionsengpasses besteht. Da zu viel Material durch hohe Kapitalbindungskosten und mangels Lagerkapazität ebenfalls nicht erstrebenswert ist, sollte ein Unternehmen immer den optimalen Lagerbestand besitzen, der sich durch die Materialbedarfsplanung errechnen lässt.
Ablauf einer Materialbedarfsplanung
Die Materialbedarfsplanung gibt einem Unternehmen an, wie viel Material in Art und Menge es für alle seine Prozesse benötigt. Alle Baugruppen, Komponenten, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe werden erfasst.
Damit die Kosten so gering wie möglich gehalten werden und dennoch keine Lieferengpässe entstehen, wird über Rechenmethoden der optimale Lagerbestand ermittelt.
Zunächst wird eine ABC-Analyse vorgenommen, die alle Materialien kategorisiert:
- Für die A-Produkte wird eine plangesteuerte Materialbedarfsplanung durchgeführt.
- Der Bedarf an B- und C-Produkten wird über das Bestellpunktverfahren, die stochastische Disposition oder die rhythmische Disposition ermittelt.
Damit für das gesamte Lager ein optimaler Bedarf ermittelt werden kann, kategorisiert die „Falkus AG“ zunächst alle seine Materialien, wobei das Kühlsystem in „Kategorie A“ fällt. Einlegeböden, Kunststoffverkleidungen und weitere Komponenten fallen in „Kategorie B“. Die Betriebs- und Hilfsstoffe gehören zur Gruppe C.
Für das Kühlsystem nimmt die „Falkus AG“ eine plangesteuerte Materialbedarfsplanung vor. Für die Komponenten in „Kategorie B“ ein Bestellpunkteverfahren. Der Bedarf an Kleinteilen aus der „Kategorie C“ wird über die stochastische Disposition ermittelt.
Einteilung der Bedarfe
Die Bedarfe in einem Unternehmen lassen sich in Kategorien unterteilt, wobei es sich um reine Begriffsdefinitionen handelt.
Die Bedarfskategorien in der Übersicht:
- Primärbedarf: Gibt die Menge der Endprodukte an, die innerhalb einer Planungsperiode verkauft werden sollen.
- Sekundärbedarf: Alle Halbfertigprodukte und Rohstoffe, die für die Herstellung vom Primärbedarf benötigt werden. Diese können zugekauft oder selbst hergestellt sein.
- Tertiärbedarf: Alle Hilfs- und Betriebsmittel, die zur Herstellung vom Sekundärbedarf und Primärbedarf benötigt werden.
- Nettobedarf: Der Sekundär- und Tertiärbedarf in Gesamtheit, abzüglich bereits vorhandener Lagerbestände.
- Bruttobedarf: Der Sekundär- und Tertiärbedarf in Gesamtheit, ohne Betrachtung von vorhandenen Lagerbeständen.
Die Verfahren der Materialbedarfsplanung
Die wichtigen A-Produkte werden über die plangesteuerte Materialbedarfsplanung ermittelt. Hierbei werden zukünftige Aufträge einbezogen, wodurch der Bedarf tatsächlich vorhanden ist.
Bei den B- und C-Produkten kommen verbrauchsgesteuerte Materialbedarfsplanungen zum Einsatz. Diese haben Materialverbrauchswerte aus der Vergangenheit als Grundlage und werden anschließend durch Statistik hochgerechnet. Ein tatsächlicher Bedarf ist (noch) nicht vorhanden.
Plangesteuerte Materialbedarfsplanung
Die plangesteuerte Materialbedarfsplanung ist in die Zukunft gerichtet und berücksichtigt den vorhandenen Primärbedarf. Dieser lässt sich beispielsweise an vorhandenen Kundenaufträgen errechnen.
Sinnvoll ist dies bei hochwertigen Produkten (A-Teile), da ansonsten eine starke Kapitalbindung entsteht, die vermieden werden sollte. Anhand von Stücklisten wird geprüft, welche Materialien für die Produktion des Primärbedarfs benötigt wird. Anschließend wird der aktuelle Lagerbestand abgezogen, um den Nettobedarf zu ermitteln. Dieser wird nachbestellt.
Hierzu wird laut Mengenstückliste folgendes Material benötigt:
- 1 Uhrwerk
- 2 Zeiger
- 1 Ziffernblatt aus Holz
- Farbe
- 6 Schrauben
Es liegen für die kommende Woche Bestellungen von 35 Uhren durch diverse Warenhäuser an. Farbe und Schrauben sind durch geringe Warenwerte stetig vorhanden und werden per Inventur nicht erfasst. Der Lagerbestand weist 2 Uhrwerke, 12 Zeiger und 10 Ziffernblätter aus.
Für 35 Uhren benötigt Solve folgendes Material laut plangesteuerter Materialbedarfsplanung:
- 35 Uhrwerke – 2 x Lagerbestand = 33 Uhrwerke
- 70 Zeiger – 12 x Lagerbestand = 58 Zeiger
- 35 Ziffernblätter aus Holz – 10 x Lagerbestand = 25 Ziffernblätter
Verbrauchsgesteuerte Materialbedarfsplanung
Die verbrauchsgesteuerte Materialbedarfsplanung kann über drei Methoden vorgenommen werden:
- Bestellpunktverfahren
- stochastische Disposition
- rhythmische Disposition
Alle drei Verfahren nutzen Daten aus der Vergangenheit.
Bestellpunktverfahren
Durch das Bestellpunktverfahren hat ein Unternehmen die Sicherheit, stetig die notwendigen Materialien im Bestand zu haben. Für dieses Verfahren werden die Lagerbestände dokumentiert.
Beim Unterschreiten eines vorher bestimmten Meldebestandes löst sich automatisch eine Nachbestellung aus. Der Meldebestand ist dabei so gewählt, dass im Anschluss die Wiederbeschaffungszeit eingeplant wurde, da die Ware nicht direkt bei Auslösung der Bestellung auf dem Lager ist. Zudem ist immer ein Sicherheitsabstand eingeplant, der im Notfall (Transportprobleme, Lieferengpässe, etc.) die Produktion sicherstellt.
Der Lieferant benötigt für die Zeit der Wiederbeschaffung inklusive Transport 7 Tage. Es müssen also 7 Tage mal 100 Kartons vorrätig sein plus 500 Stück Notfallreserve. Die Firma „Fuchs“ löst somit eine automatische Bestellung aus, wenn der Lagerbestand im Materialwirtschaftssystem auf 1.200 gesunken ist.
Stochastische Disposition
Wird ein Material durch seinen hohen Verbrauch und geringen Wert nicht mengenmäßig im Materialwirtschaftssystem erfasst, so kann die stochastische Disposition für den Bestellprozess verwendet werden.
Hierbei werden durch statistische Mittel Verbrauchszahlen aus der Vergangenheit ermittelt und automatische Bestellprozesse unabhängig von dem aktuellen Lagerbestand ausgelöst.
Beispiele für die stochastische Disposition
- Naive Prognose
- Arithmetischer Mittelwert
- Gleitender Mittelwert
- Gewichteter gleitender Mittelwert
- Lineare Regressionsanalyse
- Nicht lineare Regressionsanalyse
- Exponentielle Glättung 1. Ordnung
- Exponentielle Glättung 2. Ordnung
Rhythmische Disposition
Die rhythmische Disposition bezieht sich ebenfalls auf Erfahrungen aus der Vergangenheit. Sie funktioniert unabhängig von der aktuellen Lagerkapazität und löst Bestellungen nach zeitlichen Vorgaben ab.
Zu diesem festgelegten Zeitpunkt wird immer eine gleiche Menge Material nachbestellt. Diese Methode lässt sich erweitern, indem die aktuellen Lagerkapazitäten gemessen werden und zu festgelegten Zeitpunkten immer so viel bestellt wird, bis der Lagerbestand wieder am Maximum liegt.
Übungsfragen
#1. Der Nettobedarf beschreibt die benötigten Materialien ohne Berücksichtigung von bereits vorhandenen Lagerbeständen.
#2. Welche Artikel innerhalb einer ABC-Analyse machen im Normalfall den mit Abstand größten Teil vom Verbrauchswert in einem Unternehmen aus?
#3. Die Bedarfsplanung nach rhythmischer Disposition im klassischen Sinne erfolgt nach:
#4. Die plangesteuerte Materialbedarfsplanung richtet sich nach dem tatsächlichen Bedarf und ist somit für A-Artikel geeignet.
#5. Gründe dafür, nicht übermäßig viele Lagerbestände vorrätig zu halten sind:
Ergebnisse
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