Die Fertigungstiefe bezeichnet den Anteil der Produkte eines Unternehmens, den es selbst erbringt. Die Produktion von Waren geschieht meistens nicht innerhalb der eigenen Produktionskette. Stattdessen werden Zwischenprodukte anderer Unternehmen gebraucht, um die entsprechenden Endprodukte herzustellen. Das heißt, dass Unternehmen oftmals nicht in der Lage sind, alle nötigen Arbeitsschritte selbst auszuführen, um die Waren zu produzieren. Insoweit beschreibt die Fertigungstiefe, welcher Anteil eines Endproduktes im Unternehmen selbst produziert wird und wie hoch der Anteil der zugelieferten oder extern produzierten Güter ist.
In dieser Lektion lernst du die Fertigungstiefe kennen, welche Gründe es für ihre Veränderung gibt, und welche Vor- und Nachteile eine hohe Fertigungstiefe aufweisen. Am Ende dieser Lektion kannst du mithilfe der Übungsfragen das erlernte Wissen abfragen und mögliche Wissenslücken schließen.
- Synonyme: Produktionstiefe
- Englisch: vertical integration, vertical range of manufacture
Wann ist die Fertigungstiefe von Bedeutung?
Die Fertigungstiefe beschreibt die Abhängigkeit beziehungsweise Unabhängigkeit eines Unternehmens von Zulieferer- und Dienstleistungsunternehmen. Es gilt der Grundsatz, je größer die Fertigungstiefe, umso unabhängiger ist ein Unternehmen von Zulieferer- und Dienstleistungsunternehmen.
Mit wachsender Intensität der Fertigungstiefe steigen auch die Personalkosten eines Unternehmens. Insoweit nimmt die Fertigungstiefe Einfluss auf unterschiedliche Unternehmensbereiche.
Die Fertigungstiefe spielt eine wichtige Rolle bei:
- Unternehmenspolitik
- Personalpolitik
- Produktionspolitik
- Produktionskosten
- Produktentwicklung
- Beschaffungskosten
- Distributionspolitik
- Investitionspolitik
- Qualitätsmanagement
- Forschung und Entwicklung
- Kapitalbindung
- Outsourcing
Was ist die Fertigungstiefe?
Eine hohe Fertigungstiefe von produzierenden Unternehmen bedeutet, dass der überwiegende Teil der für das Endprodukt benötigten Teile vom Unternehmen selbst hergestellt wird. Umgekehrt bedeutet eine geringe Fertigungstiefe, dass der überwiegende Teil der benötigten Teile für die Endproduktion zugekauft werden muss.
Gründe für die Veränderung der Fertigungstiefe
Die Auslagerung beziehungsweise die Zurückverlagerung von Produktionsleistungen und eine damit verbundene Änderung der Fertigungstiefe ist eine weit verbreitete Praxis. Es sind vor allem Fertigungsleistungen, die ausgelagert werden, dicht gefolgt von EDV- und Entwicklungsleistungen.
Gründe für die Veränderung der Fertigungstiefe:
- Kosten: In Bezug auf die Kosten dominiert die Vorstellung, dass die durch den externen Spezialisten zu erbringende Dienstleistung kostengünstiger ist als im eigenen Unternehmen.
- Qualität: Die Qualität der Leistungen ist ein Motiv, das nur selten angegeben wird, wenn es um die Veränderung der Fertigungstiefe geht.
- Flexibilität: Die Veränderung der Fertigungstiefe ist eine Möglichkeit, um flexibel auf Überlastung oder Unterlastung zu reagieren.
- Kompetenz: Insbesondere bei der Vergabe von Entwicklungs- und EDV-Leistungen ist die Kompetenz ein treibendes Motiv. Es wird davon ausgegangen, dass der externe Spezialist diese Leistungen gegebenenfalls kompetenter erfüllen kann.
- Überlastung beziehungsweise fehlende Auslastung: Durch die Verringerung der Fertigungstiefe kann die eigene Überlastung flexibel aufgefangen und eine kostenintensive fehlende Auslastung vermieden werden.
- Strategische Ausweitung beziehungsweise Reduzierung: Die Reduzierung der Fertigungstiefe erfolgt vor dem Hintergrund, das eigene Leistungsspektrum durch die Fremdvergabe an geeignete Partner zu reduzieren.
Vorteile und Nachteile einer hohen Fertigungstiefe
- Das Unternehmen behält die unmittelbare Kontrolle über den Fertigungsprozess.
- Das Know-how über den Fertigungsprozess bleibt im Unternehmen.
- Die Qualität und die Prozesse können bei einem im Unternehmen verbleibenden Fertigungsprozess entsprechend optimiert werden.
- Eine hohe Fertigungstiefe bedingt eine geringe bis keine Abhängigkeit von Zulieferfirmen.
- Verzicht auf Economies of Scale – dabei handelt es sich um Größenvorteile durch hohe Stückzahlen, die sich beispielsweise im Einkauf kostensenkend auswirken können.
- Geringere Flexibilität, denn aufgrund einer veränderten Nachfrage oder in schlechten wirtschaftlichen Zeiten ist es schwierig, die Produktion herunterzufahren. Leichter wäre es, bei reduzierten Bestellungen die Stückmenge gegenüber dem Lieferanten oder Zulieferer zu reduzieren.
Fertigungstiefe berechnen
Es gibt kaum ein Unternehmen im produzierenden Gewerbe, das alle Produktionsschritte für die Produktion eines Endproduktes selbst durchführt. Meist fokussieren sich Unternehmen darauf, die einzelnen Elemente eines Produktes zu einem Endprodukt zusammenzuführen sowie für Forschung und Entwicklung zu sorgen. Wie hoch der Anteil der Eigenproduktion ist, wird anhand der sogenannten Fertigungstiefe errechnet.
Die Fertigung eines produzierenden Unternehmens setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:
- Eigenleistungen
- Fremdleistungen
Liegt die Fertigungstiefe bei 0 %, ist das Unternehmen nicht an der Produktion beteiligt. Das bedeutet, dass sich die Aktivitäten des Unternehmens ausschließlich auf den Handel konzentrieren. Beträgt die Fertigungstiefe hingegen 100 %, bedeutet das, dass das Unternehmen vollkommen unabhängig produziert und ohne den Zukauf von Komponenten oder Rohstoffen auskommt.
Formel Fertigungstiefe
Formel für die Berechnung der Fertigungstiefe:
- Bei einigen Sportwagenmodellen von Porsche, zum Beispiel dem 911er und dem Boxster, liegt die Fertigungsquote bei jeweils rund 20 % und beim Cayenne bei 10 %, was einer sehr niedrigen Fertigungstiefe gleichkommt.
- Eine vergleichsweise hohe Fertigungstiefe weisen Volkswagenmodelle auf. Grund ist, dass der Konzern viele der verwendeten Produktionsteile selbst herstellt.
- Ein Produzent von Schlafzimmern kauft Rohstoffe, insbesondere bearbeitetes Holz, ein. Zugekauft werden auch kleinere Fertigungsteile wie Scharniere, Schlösser, Kleiderstangen und Türgriffe. Das eingekaufte Holz wird selbst bearbeitet. Das gilt beispielsweise für die Lackierung. Aus den genannten Gründen ergibt sich für den Schlafzimmerhersteller eine hohe Fertigungstiefe von 70 %.
Der genaue Wert der Fertigungstiefe lässt sich nur dann exakt ermitteln, wenn der Wert der einzelnen Produktionsschritte beziehungsweise der produzierten Einzelteile bekannt ist.
Abgrenzung der Fertigungstiefe zu ähnlichen Sachverhalten
Es gibt mehrere ähnliche Sachverhalte, von denen sich die Fertigungstiefe unterscheidet:
- Leistungstiefe
- Outsourcing
- Fertigungsstufe
- Make-or-Buy Entscheidung
Abgrenzung zur Leistungstiefe
Während sich die Fertigungstiefe auf die vertikale Ausdehnung der Produktion und den damit verbundenen Einsatz von Produktionsfaktoren konzentriert, befasst sich die Leistungstiefe eines Unternehmens mit dem Anteil der administrativen Aufgaben, die das Unternehmen selbst erledigt.
Abgrenzung zum Outsourcing
Outsourcing wird oftmals mit der Fertigungstiefe verwechselt. Dabei handelt es sich um die Auslagerung von Unternehmensaufgaben an Drittunternehmen. Ziel des Outsourcings ist, am Unternehmensstandort ausgeführte ineffiziente und zu teure Aufgaben von externen Dienstleistern erledigen zu lassen. Die Auslagerung führt zu einer Entlastung des Unternehmens, das sich verstärkt auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann.
Abgrenzung zur Fertigungsstufe
Die Fertigungstiefe ist außerdem von den Fertigungsstufen abzugrenzen. Fertigungsstufen sind innerhalb des Produktionsprozesses ein verfahrenstechnisch in sich abgeschlossener Ablaufabschnitt, dem weitere Abschnitte folgen, bis das Endprodukt hergestellt ist. Das bedeutet, dass die Fertigungstiefe mehrere Fertigungsstufen umfassen kann.
Abgrenzung zur Make-or-Buy Entscheidung
Die Entscheidung für die Intensität der Fertigungstiefe setzt voraus, dass eine Entscheidung bezüglich der Bereitstellung von Teilprozessen getroffen wird. Dazu gehört auch die Make-or-Buy Entscheidung.
Während bei der Entscheidung über die Fertigungstiefe der Untersuchungsbereich auf den Produktionsbereich beschränkt ist, ist bei der Make-or-Buy Entscheidung das Anwendungsspektrum grundsätzlich offen. Sie beeinflusst nicht zwingend die Fertigungstiefe, während eine Veränderung der Fertigungstiefe immer im Zusammenhang mit einer Make-or-Buy Entscheidung steht.
Übungsfragen
#1. Welche Aussage ist in Bezug auf die Fertigungstiefe richtig?
#2. Was ist ein wesentlicher Nachteil einer hohen Fertigungstiefe?
#3. Was ist der Unterschied zwischen der Fertigungstiefe und Outsourcing?
#4. Es gibt einen Konzern, der sich durch eine hohe Fertigungstiefe auszeichnet, da er eine Vielzahl der Teile selbst produziert, die als Zulieferteile für das Endprodukt benötigt werden. Um welchen Konzern handelt es sich?
Ergebnisse
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