Eine Prokura ist zusammen mit der Handlungsvollmacht die rechtsgeschäftliche Vertretung eines Unternehmens. Sie erstreckt sich nach § 49 HGB (Handelsgesetzbuch) auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte sowie auf Rechtshandlungen, die den Betrieb des Handelsgewerbes betreffen. Der Inhaber einer Prokura wird als Prokurist bezeichnet. Macht er von seiner Vollmacht Gebrauch, verwendet er das Kürzel “ppa.” (= per procura), wodurch seine Position innerhalb des Unternehmens und seine Befugnisse für Außenstehende sichtbar werden.
In dieser Lektion erfährst du, wer eine Prokura erteilt, warum sie erteilt wird, welche Machtbefugnisse der Prokurist durch die Erteilung der Prokura hat und wie sie beendet wird beziehungsweise erlischt. Du lernst die verschiedenen Arten der Prokura und die damit verbundenen Handlungsspielräume kennen.
- Synonyme: Handelsrechtliche Vertretungsmacht | handelsrechtliche Vollmacht | Stellvertretung im Handelsverkehr
- Aus dem Lateinischen von procurare = für etwas Sorge tragen, pro = für und cura = Sorge
Wann ist die Prokura von Bedeutung?
Die Prokura wird erteilt, um den Geschäftsführer oder Unternehmer zu entlasten. Der Prokurist erhält weitreichende Handlungsspielräume im Unternehmen. Sie berechtigen ihn nach außen zu allen Tätigkeiten, die für die Unternehmensführung erforderlich und nicht nachteilig sind.
Die Prokura kann sich auswirken auf:
- die Personalpolitik eines Unternehmens
- den Erfolg eines Unternehmens
- die Finanzpolitik eines Unternehmens
- die Größe eines Unternehmens
- die Produktion
- die Besitzverhältnisse des Unternehmens
- die Machtverhältnisse im Unternehmen
Die Erteilung der Prokura ist mit weitreichenden Befugnissen verbunden. So ist der Umfang der Prokura im Außenverhältnis grundsätzlich unbeschränkt, während im Innenverhältnis vertragliche Beschränkungen möglich sind. Diese weitreichenden Vertretungsbefugnisse werden an geeignete Mitarbeiter niedrigerer Betriebsebenen vergeben, die in der Lage sind, leitende Aufgaben zu übernehmen.
Die verschiedenen Formen der Prokura
Die Unterscheidung zwischen Einzelprokura, Gesamtprokura und Filialprokura bezieht sich auf den Umfang der Prokura und die damit verbundenen Handlungsbefugnisse.
Einzelprokura | Gesamtprokura | Filialprokura |
---|---|---|
Rechtsgeschäfte können von einem Prokuristen allein abgeschlossen werden. | Mehrere Personen erhalten gemeinschaftlich Prokura. | Bei der Filialprokura ist die Vertretungsmacht des Prokuristen auf eine Filiale oder Geschäftsstelle begrenzt. |
Einzelprokura
Rechtliche Grundlage für eine Einzelprokura ist § 48 Abs. 1 HGB.
Filialprokura
Gesetzlich normiert ist die Filialprokura in § 50 Abs. 3 HGB, und das sind ihre Merkmale:
- Sie ist auf eine Filiale oder auf eine Geschäftsstelle des Unternehmens beschränkt.
- Voraussetzung ist, dass die verschiedenen Geschäftsstellen oder Niederlassungen jeweils andere Firmenbezeichnungen tragen, wobei unterschiedliche Namenszusätze ausreichen. Beispiele sind “Filiale München-Pasing”, “Geschäftsstelle Frankfurt Mitte” und “Filiale Berlin-Wilmersdorf”.
- Erstreckt sich die Prokura auf alle Niederlassungen, wird sie als Generalprokura bezeichnet.
Gesamtprokura
Rechtsgrundlage für die Gesamtprokura ist § 48 Abs. 2 HGB, und das sind die Merkmale der Gesamtprokura:
- Zwei oder mehr Personen wird Prokura mit der Maßgabe erteilt, dass sie nur gemeinsam handeln können.
- Um den Inhaber des Unternehmens rechtswirksam zu vertreten, dürfen die Gesamtprokuristen bei jedem Rechtsgeschäft grundsätzlich nur gemeinschaftlich handeln.
- Das Tätigwerden der Gesamtprokuristen muss nicht zwingend gleichzeitig erfolgen. Auch ein zeitlich versetztes Handeln ist möglich.
- Nach § 53 Abs. 1 HGB muss die Gesamtprokura zwingend ins Handelsregister eingetragen werden. Nur so ist die Sicherheit des Rechtsverkehrs sichergestellt. Wird dies versäumt, können Dritte davon ausgehen, dass es sich um eine Einzelprokura handelt.
Arten der Gesamtprokura
Die Gesamtprokura kann weiter unterteilt werden, in eine “echte Gesamtprokura”, in eine “halbseitige Gesamtprokura” und in eine “unechte Gesamtprokura”:
echte Gesamtprokura
Die echte Gesamtprokura wird gemeinschaftlich an zwei oder mehrere Prokuristen erteilt. Jeder der Prokuristen ist nur dann handlungsberechtigt, wenn er mit dem zweiten beziehungsweise mit allen anderen Prokuristen zusammen die Vertretungsmacht ausübt.
unechten Gesamtprokura
Bei der unechten Gesamtprokura, die auch gemischte Gesamtprokura genannt wird, ist der Prokurist an die gesetzliche Vertretung gebunden. Er ist nur dann zur Vertretung berechtigt, wenn er gemeinschaftlich mit einem organschaftlichen Vertreter handelt, zum Beispiel mit einem Gesellschafter, einem Geschäftsführer oder mit einem Vorstandsmitglied.
Ein Beispiel: Bei einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) ist der Prokurist nur zusammen mit dem Geschäftsführer handlungsfähig.
halbseitige Gesamtprokura
Die halbseitige Gesamtprokura ist eine Kombination aus der Einzelprokura und der echten Gesamtprokura. Ein Prokurist ist nur zusammen mit einem anderen Prokuristen gemeinschaftlich vertretungsberechtigt, während der andere Prokurist Einzelprokura hat.
Ein Beispiel: “Prokurist A” hat Einzelprokura, sodass er Entscheidungen eigenverantwortlich treffen darf. “Prokurist B” hat Gesamtprokura, sodass er nur mit Zustimmung von “Prokurist A” beschlussfähig ist.
Die Erteilung der Prokura
Wer ist berechtigt, Prokura zu erteilen, wer kann eine Prokura erhalten, und wie wird die Prokura erteilt?
Wer kann Prokura erteilen?
Nach § 48 Abs. 1 HGB (Handelsgesetzbuch) darf die Prokura erteilt werden
- vom Inhaber des Handelsgeschäftes oder
- von seinem gesetzlichen Vertreter.
Beispiele für die Zuständigkeit der Prokuraerteilung:
- OHG (offene Handelsgesellschaft) und KG (Kommanditgesellschaft: Persönlich haftende Gesellschafter
- AG (Aktiengesellschaft), KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien) und eG (eingetragene Genossenschaft): Vorstandsmitglieder
- GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und UG (Unternehmergesellschaft): Geschäftsführerbeschluss
Wem kann Prokura erteilt werden?
Um Prokura zu erhalten, müssen diese Voraussetzungen erfüllt sein:
- Volle Geschäftsfähigkeit
- Natürliche Person und keine juristische Person
- Kaufmann im Sinne des HGB oder im Unternehmen angestellter Arbeitnehmer
- Persönliche Eigenschaften: Vollständige Identifizierung mit dem Unternehmen, verantwortungsvolles Arbeiten, hohes Maß an Vertrauen
Wie wird Prokura erteilt?
Voraussetzungen für die Erteilung der Prokura:
- Die Prokuraerteilung muss durch einen Kaufmann (§§ 1-3, 5f. HGB) beziehungsweise durch seinen gesetzlichen Vertreters erfolgen
- Sie muss persönlich und ausdrücklich erteilt werden, § 48 Abs. 1 HGB, wobei eine mündliche Erteilung ausreicht
- Gegenüber dem Prokuristen selbst oder gegenüber dritten Personen, gegenüber denen der Prokurist tätig werden soll
- Durch den Inhaber des Handelsgeschäftes
- Durch öffentliche Bekanntmachung
- Gesetzlich vorgeschrieben ist die öffentliche Bekanntmachung durch die Anmeldung der Prokura zum Handelsregister
- Eintragung der Prokura in das Handelsregister
Welchen Umfang hat eine Prokura?
Der Umfang einer Prokura ist gesetzlich in § 49 HGB festgelegt:
- Die Prokura berechtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften sowie zu Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsunternehmens mit sich bringt.
- Nur wenn eine Immobiliarklausel nach § 49 Abs. 2 HGB erteilt ist, berechtigt sie den Prokuristen ausnahmsweise zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken.
- Es gilt der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit, sodass die Prokura in ihrer Wirkung gegenüber Dritten nicht eingeschränkt werden kann.
- Selbst mit Zustimmung des Unternehmens ist die Prokura nach § 52 Abs. 2 HGB nicht übertragbar.
Beispiele für das, was ein Prokurist darf:
- Gesamten Geschäftsverkehr führen
- Verbindlichkeiten eingehen
- Personal einstellen und entlassen
- Darlehen aufnehmen
- Wechsel zeichnen
- Prozesse führen
- Vergleiche schließen
Beispiele für das, was ein Prokurist nicht darf:
- Prinzipal- und Grundlagengeschäfte, also höchstpersönliche Geschäfte als reine Inhabergeschäfte
- Geschäfte, die eine Änderung des Unternehmensgegenstandes bedingen
- Geschäfte, die auf eine Einstellung des Geschäftsbetriebes abzielen
- Veräußerung und Belastung von Grundstücken, sofern diesbezüglich keine Erweiterung der Prokura vorliegt
- Geschäfte, die der Prokurist mit Dritten zum Nachteil des Geschäftsherrn abschließt
- Insolvenz beantragen
- Bilanzen unterzeichnen
- Prokura erteilen
- Eintragungen in das Handelsregister beantragen
- Eine Bilanz oder Steuererklärungen für den Kaufmann unterzeichnen
Wann und wie erlischt eine Prokura?
Eine Prokura kann auf unterschiedliche Weise beendet werden beziehungsweise erlischen:
- Erlöschen der Prokura durch Widerruf des Geschäftsherrn oder seines gesetzlichen Vertreters nach § 52 Abs. 1 HGB, der jederzeit ohne Einhalten einer Frist möglich ist
- Der Prokurist wird selbst Inhaber des Unternehmens, zum Beispiel durch Kauf oder Erbschaft
- Das Rechtsverhältnis, das der Prokura zugrunde liegt – Dienst- oder Arbeitsvertrag – wird beendet
- Auflösung der Gesellschaft oder Einstellung des Handelsgeschäftes
- Umwandlung eines von einem Einzelkaufmann geführten Unternehmens in eine OHG oder KG
- Eröffnung der Insolvenz
- Geschäftsunfähigkeit oder Tod des Prokuristen
- Das Erlöschen der Prokura muss nach § 53 Abs. 3 HGB zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden
Übungsfragen
#1. Woran ist zu erkennen, dass ein Vertrag in Vertretung der Geschäftsleitung von einem Prokuristen unterzeichnet wurde?
#2. Welche Aussage ist richtig?
#3. Was ist kein Erlöschensgrund für eine Prokura?
#4. Was ist ein Beispiel für eine unechte beziehungsweise gemischte Gesamtprokura?
#5. Wann gilt eine Prokura als erteilt?
#6. Innerhalb welcher Unternehmensform kann KEINE Prokura erteilt werden?
#7. Welche Art der Prokura gibt es nicht?
#8. Der Prokurist darf nicht:
#9. Welcher Grund kann zum Ende der Prokura führen?
Ergebnisse
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